Ich stelle jetzt einfach mal die Behauptung auf das es Niemanden gibt, der keine Angst vorm Fallen hat. Auch Kletterer sind vor dieser Angst nicht gefeit. Gerade unsere „Spezies“ muss sich ganz bewusst mit diesem Thema auseinandersetzen. Denn sobald unsere Fußsohlen den Boden verlassen jonglieren wir mit der Schwerkraft. Die Angst ist unser stetiger Begleiter. Sie sitzt in unseren Hinterkopf und entscheidet darüber, ob wir den nächsten Zug an genau diesem Griff wagen oder uns doch lieber eine Alternative suchen. Außerdem möchte ich die Behauptung aufstellen, dass in kaum einem anderen Klettergebiet die Sturzangst so präsent ist wie in der Sächsischen Schweiz. Hier gibt es kaum Ringe in der Wand und manchmal legt man Schlingen, die im Falle eines Falles definitiv nicht halten würden. So etwas nennen wir dann eine moralische Schlinge. Sie dient einzig allein dazu den Kopf auszutricksen, um unbeschwert weiter klettern zu können.

Aber woher kommt die Angst?
Die Angst vorm Stürzen ist uns angeboren und vollkommen normal. Wer hat nicht schon einmal vollgepumpt mit Adrenalin im Freibad auf dem 10m Sprungbrett gestanden. Und im Grunde ist die Sturzangst etwas sehr Gesundes, dient sie doch zur realistischen Einschätzung von Gefahren.
Nimmt die Angst allerdings überhand, kann sie sogar zur Gefahr werden. Denn wer zu viel Angst hat, klettert meist deutlich unter seiner Leistungsgrenze und vergeudet reichlich Kraft, weil man zu viel Energie ins Festhalten der Griffe investiert. Kraft die früher oder später an anderer Stelle gebraucht wird.
Du fragst Dich sicher, warum ich mir Gedanken über die Sturzangst mache. Das liegt daran, dass ich zu Beginn dieser Saison in einer Route gleich zweimal aufgrund eines Griffausbruchs den Abflug gemacht habe. Das Ereignis führte zu einem erheblichen Verlust meines Selbstvertrauens. Zugegebenermaßen war ich schon immer ein kleiner Angsthase, aber diesen Angsthasen hatte ich zum einem immer unter Kontrolle und zum anderen trug er immer zur realistischen Bewertung einer Route bei. Nun drohte er allerdings zu einem Monster zu mutieren. Diesem Monster musste unbedingt Einhalt geboten werden, sonst hätte ich meine Kletterkarriere an den berühmten Nagel hängen dürfen. Und das möchte doch keiner! Zum Glück hat darunter nicht das Vertrauen in meinen Kletterpartner gelitten, denn der hat einen super Job gemacht, sodass ich nur mit einer leichten Knöchelprellung aus der Sache herausgekommen bin!
Eine Frage blieb aber am Ende des Tages. Wie gewinne ich mein Selbstvertrauen zurück und verweise den Angsthasen in mir in seine Schranken?
Im Internet lassen sich dazu reichlich Tipps und Tricks finden, wie man seine Sturzangst bekämpfen kann. Ich finde allerdings das es kein Schema F gibt, wie man die Sturzangst wieder in den Griff bekommt. Man sollte jedoch offen mit dem Thema umgehen und verschiedene Lösungsansätze ausprobieren.
Meine Taktik war Folgende:
Zum einem halte ich es da, wie man es mir schon in jungen Jahren beim Reiten beigebracht hat. Wenn man einmal runtergefallen ist, muss man gleich wieder aufsteigen bzw. einsteigen und das solange bis die kleine Stimme im Hinterkopf wieder ganz ganz leise ist. Natürlich sollte man nicht gleich wieder in Routen einsteigen die einen an die eigene Leistungsgrenze bringen. Dazu eignen sich viel eher die Lieblingsrouten, die man schon aus dem FF kennt und in denen man das Klettern einfach genießt.
Des Weiteren hat diese unfreiwillige Bekanntschaft mit der Schwerelosigkeit dazu geführt, dass ich jetzt regelmäßig an meiner Klettertechnik und Kraft arbeite. Denn, wenn wieder ein Griff meint, mich Abschütteln zu wollen halt ich mich einfach mit der anderen Hand fest. Ist doch eigentlich ganz einfach oder?
Wie stet es bei Euch? Wie geht Ihr mit der Sturzangst um? Oder nehmt Ihr es einfach hin, dass sie Euer stetiger Begleiter ist?
Hallo Stef,
sehr schöner Artikel und ich bin mir sicher, du nimmst vielen Kletterern die Worte aus dem Mund. Mit der Zeit entwickelt wohl jeder seine eigene, persönliche Angstbewältigungsstrategie – zumindest jene Kletterer, die ihr Niveau weiter steigern wollen. Denn ab einem gewissen Schwierigkeitsgrad kommt man uns Stürzen nicht mehr herum.
Mir selbst hat spezielles Sturztraining sehr geholfen. Das kann man auch in der Halle immer wieder einbauen. Am Fels freiwillig zu stürzen ist nochmal eine größere Überwindung. Außerdem klettere ich schwierige Routen gedanklich von Bolt zu Bolt. Das nimmt der Route etwas von ihrer Dimension.
Liebe Grüße,
Susi/berghasen.com